Furchtbar

"Es muss sich was ändern!" hört man es häufig von zukünftigen AfD-Wählern bei den kommenden Landtagswahlen im Osten Deutschlands. Aber was genau, das können diese Menschen nicht artikulieren.

"Wir leben in einer Diktatur" hört man es ähnlich häufig von zukünftigen AfD-Wählern bei den kommenden Landtagswahlen im Osten Deutschlands. 

Einige dieser Menschen mögen in der Diktatur namens DDR Erfahrungen gesammelt haben und verklären diese dennoch als die bessere Demokratie. Das Einzige jedoch was dort besser war als im heutigen Deutschland: Die DDR hat ihren Bürgern ein Rundum-Sorglos-Du-Musst-Dich-Nicht-Kümmern-Paket vermittelt, um den Preis von so gut wie allen Freiheiten - der Meinungs-, der Reise-, der Religions-, der Wahlfreiheit und generell der Freiheit, so leben zu können, wie es einem in den Kram passt. Ich habe selbst - aus beruflichen Gründen - zeitweilig in einer anderen Diktatur gelebt. Überwachung & Kontrolle z.B. in Form von geöffneter Post und Telefonabhörung, wobei man sich nicht einmal besondere Mühe gab, sie zu verbergen, hinzu kam Korruption, all das waren nur die kleinen Übel, die im Alltag wahrnehmbar waren. Ganz zu schweigen von dem, was im Hintergrund so lief: Erpressung, Folter, Verwehrung einer ordentlichen Gerichtsbarkeit inklusive Unabhängigkeit von Gerichten und einem geregelten Instanzenweg, und einiges mehr, was geeignet ist, jeglichen Freiheitsdrang zu beschneiden. 

Das Furchtbare ist: Diese Menschen wollen mit der sosehr herbei gesehnten Veränderung ihre Diktatur zurück. Und nicht nur die DDR, denn dafür würde es reichen, das neugegründete BSW zu wählen. Nein, sie wollen die Nazidiktatur. Sie hat das Leben so einfach gemacht. Sie hat definiert, was sein darf, und hat alles, was anders ist, als nicht erlaubt definiert. Einschließlich ganzer Bevölkerungsgruppen.

Ich ertappe mich immer häufiger bei dem Gedanken, inwieweit es nicht besser gewesen wäre, es 1990 bei zwei deutschen Staaten zu belassen. Gerade auch mit der jüngst aufgeflammten Diskussion darüber, dass eine historische Chance verpasst worden sei, das vereinigte Deutschland auf solidere Füße zu stellen, indem eine neue, gemeinsame Verfassung ausgearbeitet worden wäre, worin das Beste aus DDR und BRD eingearbeitet hätte werden können. Letztlich geht diese Forderung an der damaligen Realität vorbei. In BRD-Teil Deutschlands wäre eine neue Verfassung, die das Grundgesetz ersetzt, in der Bevölkerung kaum durchsetzbar gewesen. Das, was heute gerne zitiert wird, was am DDR-Teil Deutschland gut war (Recht auf Arbeitsplatz, Kinderbetreuung u.a.) stellt keinen Inhalt für eine Verfassung dar, sondern eine Ausgestaltung von Alltagsgesetzen. Hätte man zwei deutsche Staaten belassen, hätte sich die Bevölkerung der DDR eine eigene Verfassung geben müssen, sich also damit auseinander setzen müssen.

Die Auseinandersetzung mit einer Verfassung ist jedoch nicht erfolgt, und auch die Auseinandersetzung mit dem Grundgesetz fand für die damalige DDR-Bevölkerung nicht statt, was im übrigen von jedem Migranten, der sich heute in die Bundesrepublik Deutschland einbürgern will, verlangt wird.

Wer heute die AfD wählt, setzt unser Grundgesetz auf's Spiel - und ich unterstelle, das kann nur derjenige leichtfertig tun, der dazu keinen Bezug hat, der sich nie damit ernsthaft auseinander gesetzt hat. Wer heute die AfD wählt, träumt klammheimlich von einer Diktatur a la Russland und vielleicht sogar von einem Diktator Putin. Und wer Putin nicht für einen Aggressor hält, der Kriege anzettelt, um zu vermeintlich früherer, russischer Größe zurück zu finden, der träumt am Ende von einem neuen großen Krieg.

Mein Jahr mit dem Grundgesetz – Teil IV – Gleichheit

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 3

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html

Ich liebe Artikel 3(3): Niemand, aber auch wirklich niemand darf bevorzugt oder benachteiligt werden!

Es fällt den Nazis schwer:

Nazis dürfen nicht bevorzugt werden! Und sogenannte Biodeutsche auch nicht! Wer hätte das gedacht? Wer „remigrieren“ lässt, lässt deportieren, benachteiligt auf Grund von Heimat und Herkunft, ist nachweislich nicht konform mit GG Art. 3(3), IST demnach Verfassungsfeind!

Es fällt allen Anderen schwer:

Auch Nazis dürfen nicht benachteiligt werden! Das war’s also mit „Nazis raus!“-Wünschen, die werden wir so schnell nicht los, es sei denn, sie gehen von selbst. Wer würde sie schon nehmen und sich diese Filzläuse in den Pelz setzen wollen? Wir haben keinen andere Wahl: Wir müssen uns mit ihnen und allen die den Weg dahin eingeschlagen haben, im engeren Sinne die Masse an AfD-Wählern, auseinander setzen. Warum scheint sich eine wachsende Menge für rechte Parolen zu begeistern, in einem Land, in dem vieles gut, mindestens aber gar nicht so schlecht läuft, vergleicht man es mal mit denjenigen Ländern, von wo die Flüchtlinge aufbrechen und hierher kommen? Was sind ihre Ängste, die obskur erscheinen und kaum objektiven Kriterien standhalten?

GG Art. 3(3) ist Versprechen und Drohung zugleich.

Und wenn wir schon dabei sind: Ich bin auch ein echter Fan von GG Art. 3(2). Überhaupt bin ich ein Fan des Grundgesetzes. Eine der größten Errungenschaften unseres Landes nach Überleben des zweiten Weltkriegs.

Habt Dank, Ihr Mütter und Väter des Grundgesetzes! Man beneidet uns allerorten darum! Ich halte es mit Sebastian Krumbiegel von den Prinzen:

Quelle: Sebastian Krumbiegel, https://www.takt-magazin.de/musik/ich-bin-grundgesetz-ultra-sebastian-krumbiegel-im-interview_308950

Mein Jahr mit dem Grundgesetz – Teil III – Freiheit der Person

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 2

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_2.html

… aber auch:

  • Freiheit von Einzelnen endet dort, wo die Freiheit von Anderen beginnt!
  • Leben und leben lassen!
  • Reden und reden lassen!
  • Was Du nicht willst, das man Dir tu‘, das füg auch keiner And’ren zu!
  • Normalos respektieren LGBTQIA+

Mein Jahr mit dem Grundgesetz – Teil II – Menschenwürde

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 1 

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_1.html

Nichts davon wird von den auf CORRECTIV enthüllten Plänen ultrarechter Kräfte, insbesondere in der AfD, zur „Remigration“ – also Deportation – eingehalten. Die Menschenwürde ist auch für ultrarechte Kräfte unantastbar, Artikel 1 des Grundgesetzes verpflichtet uns jedoch alle, diese Unantastbarkeit gegenüber allen von allen einzufordern. Ausnahmslos.

Mein Jahr mit dem Grundgesetz – Teil I

Der jüngste Protestwelle, die nach der CORRECTIV-Recherche zu den sog. Remigrationsplänen rechtsradikaler Kräfte durch die Republik wanderte, die mit einem verharmlosenden Begriff nichts Anderes als Deportationspläne in großem Stil darstellen, veranlasst mich, 30 Jahre nach meiner Schulzeit, erneut einen näheren Blick auf unser Grundgesetz – die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland – werfen.

Wir haben hier einen Goldschatz in Händen, woran rechtsradikale, neonazisitische Kräfte Hand anlegen wollen – direkt und indirekt. Um diesen Goldschatz – und in der Konsequenz um die starke Position unseres Verfassungsgerichts, welchem sich Exekutive und Legislative beugen müssen – werden wir von anderen Ländern beneidet. Um diesen Goldschatz haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes schwer gerungen, und dennoch ist ihnen ein großer Wurf gelungen, der seinesgleichen in der Welt sucht.

Die Deportationspläne stellen Gewissheiten in Frage, und bringen – endlich – diejenigen – wie mich – final auf die Palme, die mit dem Geschichtsverständnis aufgewachsen sind, dass es so etwas nie wieder auf deutschem Boden geben darf. Denn wehret den Anfängen, früher oder später geraten alle ins Visier der Deportationsbefürworter.

Alle, die wir heute hier leben, haben einen Migrationshintergrund. Es gibt nicht die Deutsche oder den Deutschen. Wir sind alle eine bunte Mischung. Ein Teil meiner Vorfahren stammt aus dem Schwarzwald, der andere aus Polen. Meines Mannes Vorfahren stammen aus Hessen, Österreich und Tschechien. Ich bin mir sicher, wenn man die Ahnentafeln der derzeit führenden rechtsradikalen Vordenker näher beleuchtet, sieht es dort kaum anders aus. Sie müssten also nach ihrer Logik unter den Ersten sein, die gehen müssten. 

Sie sind auf Zerstörung aus, sie wollen unsere Demokratie, unsere Freiheit zerstören – und stellen unser Grundgesetz in Frage. Aber wir und das Grundgesetz sind wehrhafter als mancher glaubt. Drum werde ich mich jetzt einen Monat lang mit dem ersten Teil unseres Grundgesetzes beschäftigen, den sog. Grundrechten.

Fehler?

Um mein Abitur herum war ich eingefleischte Pazifistin. Ich hielt es für einen Fehler, wenn sich meine Schulkameraden für den Wehrdienst anstelle des Zivildienstes entschieden. Ich war der festen Überzeugung, dass Militär überflüssig ist – und stetig überflüssig gemacht werden muss – und Diplomatie – Kompromisse finden und eingehen – das einzig Wahre ist, was hilft, was Kriege verhindert und beendet.

Fremdbestimmt

Entscheidend für diese Einstellung war der Blickwinkel des Fremdbestimmten, d.h. ein Staat, repräsentiert durch eine in ungebührlicher Weise an Macht gelangte Einzelperson oder Clique, die ihre Gewaltphantasien – wahlweise egoistisch, selbstverliebt oder durchgeknallt – auslebt, schickt Leute, die das gar nicht wollen, in einen herbei geredeten Konflikt um des Konflikts willen, um der Kriegsmaschinerie willen, ungeachtet des Leids, das sie diesen Leuten und ihren Angehörigen zufügt. Meine Einstellung passte ganz zu Reinhard Meys Lied „Alle Soldaten woll’n nach Haus“, was auch mein Lebensgefühl als Teenager widerspiegelte, der im kalten Krieg aufwuchs.

Tatsächlich ist dieses Lied noch immer richtig. Nichtsdestotrotz beleuchtet es nur einen Blickwinkel einer kriegerischen Auseinandersetzung. Und zwar den eines an sich sinnlosen Krieges, der nur das Ego einzelner bedient und über Leid und Leichen der großen Masse geht. Nicht wenige Eroberungskriege der Menschheit dürften von solchen Elementen dominiert worden sein. Mithin stellt sich auch die Frage nach dem Sinn und Unsinn der Verehrung historischer Figuren als „groß“, die sich vorwiegend über ihre kriegerischen Auseinandersetzungen und ihre Eroberungsfeldzüge definieren. 

Heute mehr als in meinen „revolutionären Zeiten“ als Teenager halte ich es für nicht zielführend, solchen Figuren Anerkennung zu zollen. Trotzdem habe ich im Lauf der Jahre gelernt, meine Einstellung zu Krieg zu differenzieren, da mein damaliger Blickwinkel fehlerhaft, nämlich zu pauschal und kategorisch in Bezug auf die Frage, wer wann von wem fremdbestimmt ist, war. Auch erkläre ich heute nicht mehr jeden für dumm, der zur Bundeswehr geht, und ich schaue mit Sorge auf die Aussetzung der Wehrpflicht, die einerseits der Bundeswehr Rückhalt in der breiten Gesellschaft sicherte und andererseits für eine Durchmischung gesellschaftlicher Gruppierungen und politischer Einstellungen innerhalb der Bundeswehr sorgte und so der militärischen Elitenbildung mit Raum für rechtsextreme Strömungen entgegenwirkte. Militärisch-strategisch mag die Aussetzung der Wehrpflicht sinnvoll sein, gesellschaftlich ist sie ein Fehler.

Zeitenwende im Denken

Der offizielle Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022, dem 107. Geburtstag meiner Oma, hat endgültig alle Pauschalität im Denken auf den Kopf gestellt. Wir, ich, haben fest daran geglaubt, dass Reden, Verhandeln, Verträge, wirtschaftliche Verflechtungen verhindern, dass Krieg zu uns kommt. Es hat lange anscheinend gut funktioniert. Das ein oder andere Unbehagen, dass das diese Vorstellung möglicherweise ein Fehler ist, mag man gespürt haben, wenn man die Entwicklungen rund um den IS-Mob im nahen Osten verfolgt hat, oder vom Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan erschüttert wurde, der finsterstes Mittelalter nach Afghanistan und für die afghanischen Frauen zurück brachte: Was wenn die Gegenpartei einfach Gewalt und Krieg vom Zaun bricht und sich nicht verhandlungsbereit zeigt? Ja, gar Verhandlungen als Schwäche interpretiert und gerade dann noch einmal Anlauf nimmt?

Wir, ich, sind von einem unbedingt rationalen Gegenüber ausgegangen. Wir haben erfahren, wie ratlos wir sind, wenn das Gegenüber nicht rational ist bzw. nicht nach unseren Maßstäben rational handelt. Manche mögen Putin und seine Clique noch immer für rational halten. Die Verbreitung von einschlägiger Propaganda und offensichtlichen Lügen (es ist schon schwer auszuhalten, dass ein ukrainischer Präsident mit jüdischen Wurzeln als Nazi herab gewürdigt wird), die sehr eigene Dynamik in dieser Gruppe, all das weist auf einen massiven Realitätsverlust hin und entbehrt in vielerlei Hinsicht einer stringenten Rationalität. Was also tun, wenn das Gegenüber angreift und gar nicht daran denkt, verhandeln zu wollen?

Die offensichtlichste Herangehensweise ist es doch, den Spieß der Fremdbestimmtheit umzukehren und das Gegenüber in eine Lage zu zwingen, die ihm die Sinnhaftigkeit von Verhandlungen nahebringt, ja quasi zu jenem berüchtigten, unablehnbaren Angebot macht. Das Gegenüber muss seinen Fehler erkennen und zugeben. Es stellt sich die Frage nach dem besten, effizientesten Weg dorthin!

Ist es ein Fehler, der Ukraine Waffen zu liefern?

Ja und nein.

Ja, weil wir als Gesellschaft noch kein klares Konzept haben, was genau wir damit erreichen wollen, wie weit wir wirklich gehen wollen. Wir sollten uns nicht einreden, keine Kriegspartei zu sein, denn in gewisser Weise sind wir es, weil wir Partei ergriffen haben. Wir als Gesellschaft müssen uns mit jeder gelieferten Waffe im Klaren sein, dass wir etwas unterstützen – und verteidigen – das für uns in hohem Maße sinnvoll ist. Im Grunde wissen wir, die Ukraine verteidigt für uns die Demokratie, und indirekt als eine Art Vorposten unsere geografischen Grenzen. Ganz konkret auch unsere deutschen Grenzen, die der Aggressor bereits mit markiger Rhetorik ins Auge gefasst hat. Dennoch müssen wir uns klar werden, wie weit wir gehen wollen. Sind wir im Ernstfall bereit, das auch direkt auf unserem Gebiet, vor unserer Haustür zu verteidigen?

Nein, weil wir Zeit gewinnen müssen, um sowohl die Ukraine als auch uns als westliche Demokratien in die Lage zu versetzen, das nicht ablehnbare Angebot machen zu können, zumindest, wenn uns Demokratie, ihre Werte und unsere Grenzen wichtig sind. Das geht in diesem Fall nur militärisch und über Waffen. Damit sind wir als Gesellschaft bereits mittendrin, und es ist höchste Eisenbahn, konzeptionell zu erarbeiten, was unsere gesamtgesellschaftliche Strategie ist. Das sollten wir uns eingestehen, alles Andere ist naiv.

Sind die neuen Friedensbewegungen und ihre Ziele hinsichtlich Stopp der Waffenlieferungen und sofortigen Verhandlungen realistisch?

Ja und nein.

Ja, da es naiv ist zu behaupten, allein die Ukraine entscheide, wann sie verhandeln will. Meine Zeit in Vietnam hat mich gelehrt, dass das Unfug ist. Insofern ist die empathielose Argumentation der neuen Friedensbewegten, dass man über die Ukraine (hinweg) mit dem Aggressor verhandeln und damit seinen Interessen mindestens teilweise zustimmen solle, nicht ganz unrealistisch. Kaum vergleichbar in der Sache, aber auch über Vietnam haben vorrangig die Stellvertreter verhandelt.

Nein, weil der Aggressor eine Strategie der Machtdemonstration verfolgt und Verhandlungen als Schwäche interpretiert, sie für ihn also nur dann akzeptabel sind, wenn sie seine Interessen in Gänze bedienen. Die Waffenlieferungen dienen der Umkehrung dieser Betrachtungsweise.  Gerne wird von den neuen Friedensbewegten der erste Weltkrieg mit seinem sinnlosen Stellungskampf an der Westfront als Parallele heran gezogen. Jedoch hinkt dieser Vergleich, da er nur einen Teil des Konflikts beschreibt. Der andere Teil lässt sich durch offensichtliche Parallelen mit dem zweiten Weltkrieg abbilden, wo ebenfalls ein Aggressor – zunächst erfolgreich – Nachbarländer überfallen hat, und erst nach sechs (!) Jahren Krieg durch eine Gruppe von Willigen, den Alliierten, zur Einsicht der Sinnlosigkeit seines Handelns gebracht werden konnte.

Ironie der Geschichte: Auch Russland – und gerade die Ukrainer – als Teil der Sowjetunion gehörte zu diesen Willigen. Übrigens, das sollte nicht unerwähnt bleiben, hat sich die Führungsclique Nazi-Deutschlands dem Erleben der Folgen ihres Tuns weitgehend durch Suizid entzogen. Welche Parallele ist nun näher an der heutigen Realität?

Im Hintergrund

Ich persönlich gehe davon aus, dass viele Diplomaten im Hintergrund damit beschäftigt sind, den Hebel zu suchen, der Verhandlungen in diesem Krieg ermöglicht. Die vereinzelten Anrufe eines Präsidenten Macron im Kreml belegen dies. Chapeau hierfür! Schließlich holt sich Monsieur Macron regelmäßig ein Füllhorn irritierender Aussagen ab. Bis es also soweit ist, dass Verhandlungen insbesondere von Seiten des Kreml wirklich ernsthaft geführt werden, haben wir kaum eine andere Wahl – konträr zu den Forderungen der neuen Friedensbewegten – als Zeit zu gewinnen, indem wir Widerstand leisten und auch Waffen liefern, um für die Demokratie, ihre Werte und unsere geografischen Grenzen einzustehen.

Ich habe mich bereits dabei ertappt, Russland dafür zu danken, der Nato wieder Ziel und Orientierung gegeben zu haben. Und zugleich auch der EU vorgeführt zu haben, dass es ein sträflicher Fehler ist, einer zumindest halbwegs geeinten Außen- und Verteidigungspolitik, die auch unabhängig von den USA agieren kann, bisher keine höhere Priorität eingeräumt zu haben.

Friedensbewegung oder Befriedungsbewegung – das ist die Frage!

Die Forderungen der neuen Friedensbewegten halte ich in ihrer Pauschalität zum jetzigen Zeitpunkt für unrealistisch und naiv. Sie werden nicht zu Frieden, sondern zu Befriedung zunächst der Ukraine führen. Es möge sich an den Latein-Unterricht erinnern, wer wissen will, was Befriedung heißt: Auch die Pax Romana war kein Friede, sondern die Befriedung – ergo Unterwerfung und Beherrschung – eroberter Gebiete und Völker. Ein Pseudo-Friede, der uns möglicherweise eine Zeitlang in trügerischer Sicherheit wiegt, wer weiß wie lange. Die Frage, wie wir uns hinsichtlich Verteidigung in Zukunft aufstellen, und was wir tun, wenn einestages auch unsere Grenzen derartig verletzt werden, ist damit noch keineswegs vom Tisch.

Nein, ich halte die Befriedung der Ukraine für keinen nachhaltigen Ausweg, und die Lieferung von Waffen zum jetzigen Zeitpunkt und bis auf Weiteres – bis zu einem erkennbaren Einlenken des Aggressors, sei es durch die derzeitig Führung oder eine nachfolgende – für keinen Fehler, sondern für geboten.

Und doch – es kann natürlich schief gehen. Eines ist aber auch klar: Wir sind bereits Teil der westlich-demokratischen Alliierten der Ukraine – und die Vorgehensweise, selbst wenn uns noch Eskalationen bevor stehen, ist kein Fehler, solange diese Allianzen unverbrüchlich stehen!

Krieg und Frieden

Ein Einzelner und seine Ergebenen
schaffen Leid um Leid.
Im Osten nicht Neues,
Einschläge in Serie gereiht,
Orte zerstört, die Eingeebneten.
Nahtlos am Jahresübergang
herrscht weiter Krieg!
Im Osten nichts Neues,
zunehmend in Schutt liegt,
was in Monaten nicht gelang.
Zuweilen der Ruf nach Verhandlung
mit planvollem Angreifer,
im Osten nichts Neues,
am langen Tisch unreife
Machtspiele und Tatsachenverwandlung.
Wieder einmal ein alter weißer Mann
terrorisiert die Welt.
Im Osten nichts Neues,
nichts dazu gelernt, er zählt
verbrecherisch die Toten seiner Hand.
Frieden in weiter Ferne, denn er will
den historischen Konflikt.
Im Osten nichts Neues,
solange er nach Westen blickt,
Europa, vielleicht speziell wir, im Ziel.
Parallelen zu den letzten Kriegen:
Sie verteidigen uns besonders,
im Osten dann Neues,
wenn unsere Nachschubströme woanders,
im Zerreden und Zaudern versiegen.
Friedensbewegte Vorstellung, keiner gehe hin, 
von der Realität eingeholt,
im Westen nun Neues,
kollektive Naivität überrollt,
Maximen über Bord, so ergibt Aufrüstung Sinn.
Die Frage noch immer nicht laut ausgesprochen,
sind wir bereit, im Ernstfall selbst zu gehen?
Im Westen schon Neues?
Was werden wir opfern, was werden wir geben?
Gilt noch, was Grundgesetz einst versprochen?
Viel mehr Auto- als Demokratien in der Welt,
alte neue Systemrivalität,
weltweit nichts Neues,
das Verteidigen erlernen gerät
zur aufgezwungen neuen Maxime, die nun zählt.

Nun doch!

Mein kleines Covid-Tagebuch

  • Mein kleines Covid-Tagebuch ist nun geschlossen!
  • Sonntag, 17.07., ca. 09:00 Uhr, seit gestern Abend ist auch mein Mann wieder zurück und wir machen beide noch einmal jeweils einen letzten Test: beide Testergebnisse sind (weiterhin) negativ! Damit schließe ich mein kleines Covid-Tagebuch. Toi, toi, toi, alles ist gut verlaufen! Warten wir die Herbstwelle ab, schließlich heißt es neuerdings, dass man mit Omikron nur etwa einen Monat immun ist – vorsichtshalber habe ich noch eine weitere 20er-Packung Covid-Tests für den Rest des Jahres geordert.
  • Samstag, 16.07., ca. 09:00 Uhr, Game Over! Das neueste Testergebnis ist: NEGATIV!!!!!!!!
  • Freitag, 15.07., ca. 10:30 Uhr, insgesamt fühle ich mich heute besser als noch gestern und vorgestern. Aber ein gewisser Hustenreiz, eine gewisse Kurzatmigkeit und schnelle Ermüdung sind noch immer da. Naja, es gibt ja nun Hoffnung, dass es besser wird.
  • Freitag, 15.07., ca. 08:30 Uhr, das neueste Schnelltestergebnis ist nun noch einmal schwächer als am Mittwoch und Donnerstag, der Streifen ist fast nicht mehr erkennbar. Dennoch, wenn man scharf guckt – und vor allem, wenn man es mit den negativen Tests meines Mannes vom 04.07. und 08.07. vergleicht, die ich noch daliegen habe, und die wirklich ohne Test- und nur mit Kontrollstreifen sind – dann ist da noch etwas….. sehr schwach, aber schon noch etwas….
  • Donnerstag, 14.07., ca. 10:20 Uhr, mehrfach war besetzt, aber jetzt gibt es ein Freizeichen bei meinem Anruf in der Arztpraxis. „Ja, das Ergebnis ist positiv!“ sagte die Laborantin von gestern. „Sie haben da wirklich ein hartnäckiges Virus! Das hat sich bei Ihnen eingenistet.“ – „Ja, ich habe wohl einen Mietvertrag geschlossen!“ – „Ja, aber irgendwie ein schlechter Deal!“ – „Muss ich denn jetzt etwas tun? Was würde normalerweise passieren?“ – „Ja, ab dem PCR-Test müssen Sie 5 Tage in Quarantäne bleiben, aber Sie sind ja schon 10 Tage in Quarantäne…“ – „Muss ich denn zum Feststellen, dass es vorbei ist, nochmal zum PCR-Test?“ – „Nein, da reichen Ihre Schnelltests, wenn die negativ sind, können Sie das Haus wieder verlassen.“ – „Und wie kriege ich das PCR-Ergebnis in die Corona-Warn-App?“ – „Gibt’s die noch? Ich habe da den Überblick verloren. Also, dazu müssen Sie das Ergebnis abholen, vielleicht können Sie jemanden schicken?“ – „Mein Mann ist bis Samstag nicht da, ich schicke den dann Anfang der Woche vorbei. Vielen Dank!“ – „Gute Besserung Ihnen!“
  • Donnerstag, 14.07., ca. 08:30 Uhr, das neueste Testergebnis ist wie tags zuvor, schwacher Streifen, aber gerade noch sichtbar.
  • Mittwoch, 13.07., ca. 10:30 Uhr, ich mache mich auf den Weg zum PCR-Test. Ich liebäugele nur kurz, ob ich das Rad nehme, aber ich fühle mich noch zu kurzatmig. Offensichtlich gibt es ein Covid-Test-Sprechstunden-Zeitfenster, ich bin nicht die einzige. Die Laborantin, mit der ich telefoniert hatte, geleitet mich auch direkt zum Test, nachdem an der Rezeption meine Daten aufgenommen worden waren. Ein junger Arzt hört zunächst meine Lunge ab und befindet, die sei in Ordnung. Er macht dann den Test – und der ist wirklich unangenehm: Das Stäbchen wird richtig tief ins Nasenloch rein gebohrt, was schmerzhaft ist! Ganz anders meine bisherigen Schnelltests. Arzt und Laborantin entschuldigen sich gleich, als sie mein Zusammenzucken bemerken, aber natürlich ist mir klar, dass das so sein muss. Ich zwinge mich also zu einem Lächeln, winke freundlich ab und bringe mein Verständnis zum Ausdruck. Ich soll morgen gegen 10:00 Uhr anrufen, um das Ergebnis zu erfahren.
  • Mittwoch, 13.07., ca. 08:30 Uhr, ich mache noch einen Schnelltest. Überraschung! Es sah lange danach aus, dass KEIN Teststreifen auftauchen würde. Zuletzt tauchte er doch auf, aber zum ersten Mal blieb er deutlich schwächer als die vorigen. Hoffnung? Würde der PCR-Test jetzt schon negativ werden?
  • Mittwoch, 13.07., ca. 08:00 Uhr, ich rufe beim Arzt im Dorf an. Die Dame am anderen Ende war auch diejenige, die mir gemailt hatte, und wusste gleich, worum es geht. Sie zeigte sich überrascht, dass das Virus so hartnäckig ist. Da stelle ich mir die Frage: Ist das bei anderen anders? Ich bekomme einen Termin gleich nachher um 10:45 Uhr.
  • Dienstag, 12.07., ca. 16:30 Uhr, jetzt will ich es doch wissen: Ich recheriere, wo es eine Stelle gibt, an der man einen PCR-Test machen lassen kann. Bis auf einen Termin am kommenden Freitag habe ich bereits alle abgesagt. Aber für den am Freitag wäre mir schon wohler, durch eine PCR-Test klären zu lassen, dass es Covid ist oder nicht. Überraschung: Der Allgemeinmediziner hier im Dorf steht noch ganz offiziell auf der baden-württembergischen Landesliste – derjenigen, die weiterhin PCR-Tests machen. Ich schreibe eine eMail und hänge ein Bild meiner Schnelltests der letzten 9 Tage an – und bekomme auch gleich Antwort, ich möge morgen gegen 08:00 Uhr anrufen und alles Weitere besprechen.
  • Dienstag, 12.07., ca. 08:30 Uhr, das neueste Testergebnis ist noch immer: positiv!
  • Montag, 11.07., 09:50 Uhr, das neuste Testergebnis ist noch immer: positiv! Spätestens jetzt muss man erkennen, dass die 5 Tage Isolation, die derzeit den Standard darstellen, Quatsch sind. In der Summe ist heute Tag 10 der Symptome, und mit Inkubationszeit mehr als 10 Tage infektiöse Zeitspanne. Die Symptome sind – genau genommen – noch nicht vorbei, die noch etwas zu rauhe Stimme, die zuweilen wegbricht, und eine leichte Kurzatmigkeit in dem Sinne, dass bei Anstrengung auch noch zuweilen ein Hustenreiz auftritt, der allerdings keinen ausgeprägten Hustenanfall, sondern nur ein kurzes Husten triggert, sind noch präsent. Einen optisch fassbaren Indikator dafür, dass es „bergauf“ geht, gibt es dennoch: Obwohl das Testergebnis noch eindeutig positiv ist, ist doch der Teststreifen auffällig schwach geblieben. Ich wage also die Prognose, dass es bei Ende der Woche kein positives Testergebnis mehr geben wird.
  • Sonntag, 10.07., ca. 21:00 Uhr, mein Mann schickt mir ein Bild seines gerade durchgeführten, aktuellsten Tests: negativ. Na dann, kann ich ihm ja viel Spass auf der Documenta wünschen! Auch die Eltern hatten im Lauf des Tages heute noch einmal Tests gemacht, auch weiterhin negativ. Wie positiv das doch ist!
  • Sonntag, 10.07., ca. 15:00 Uhr, mein Mann bricht zu unserem zweiten Standort auf – für alle Fälle mit 5 Covid-Tests in der Tasche. Er will mindestens 1, 2, 3 Tage der kommenden Woche zur Documenta 15, aber qua aktuellem Anlass nicht ungetestet.
  • Sonntag, 10.07., ca. 14:00 Uhr, mache mir lecker Hühnerbrühe mit Nudelnestern, schon seit ein paar Tagen jeden Tag mindestens einmal. Heute wieder ein Eimerchen unseres eigenen Hühnerfonds leer bekommen, mehr Platz im Kühlschrank, check! Wir kochen Knochenfonds ja selbst, aus wahlweise Knochen (Rinder) und Suppenhühnern. Ein Hoch der Allesverwertung: Was kann schon bei Erkältung und Grippe gegen echte Hühnerbrühe ankommen?
  • Sonntag, 10.07., ca. 09:00 Uhr, neuestes Testergebnis noch immer: positiv! An sich mittlerweile weniger Husten und kaum mehr Niesen. Allerdings heute wieder etwas rauhen Hals, wohl zu viel geredet gestern?
  • Samstag, 09.07., ca. 09:00 Uhr, neuen Test gemacht, Ergebnis weiterhin: positiv! Mittlerweile auch die dritte Hustenbonbontüte begonnen, da in der Nacht immer mal wieder einen Hustenanfall. Temperatur aber aber weiterhin unter 37°C.
  • Freitag, 08.07., ca. 20:00 Uhr, mein Mann hat eingekauft, da sein Test am Nachmittag immer noch negativ war. Echt überraschend, dass er so gar nichts abbekommt, trotz Virendauerbeschuss durch Zusammenleben mit mir. Naja, vielleicht aber auch gut so. Jedenfalls ist jetzt der Kühlschrank proppenvoll, schließlich fährt mein Mann am Sonntag für ein paar Tage an unseren anderen Standort, derweil ich, sofern weiterhin Covid-positiv, bis auf Weiteres nichts einkaufen kann. Auch die Katze steht Spalier wie immer, wenn sie frisches Grillhähnchen riecht – Luxuskatze, sie bekommt in solchen Fällen ihr eigenes halbes Geflügel, natürlich über Tage verteilt und abgekühlt. Auch sie zeigt keine Symptome, weiterhin Appetit und Agilität. Toi, toi, toi.
  • Freitag, 08.07., ca. 14:20 Uhr, Temperatur weiterhin unter 37°C. Stelle fest, die zweite Hustenbonbontüte ist bereits fast leer. Zum Glück hat mein Mann neulich 5 Tüten gekauft. Auch glücklich: Bislang sind keine weiteren, intrafamiliären Infektionen festgestellt worden. Vielleicht stimmt es ja, dass ich als mehrfach Geimpfte nur eingeschränkt infektiös bin? Zumindest bei Omikron wurde das schon nachgewiesen. Wär auch gut für die Katze…
  • Freitag, 08.07., ca. 10:00 Uhr, Telefonat mit den Eltern: auch dort glücklicherweise weiterhin negative Testergebnisse.
  • Freitag, 08.07., ca. 08:30 Uhr, Testreihe fortgesetzt, Ergebnis weiterhin: positiv! Noch immer führt leichte Anstrengung zu Husten oder Niesen, subjektiv fühlt es sich aber graduell besser an. Liegt vielleicht auch am Thermometer, das sich heute auf 36,9°C eingeschossen hat. Also, bisher konsequent unter 37°C.
  • Donnerstag, 07.07., ca. 14:00 Uhr, die Katze wanzt sich ungeniert und energisch an mich ran und will beschmust werden. Habe gelesen, dass sich Katzen symptomfrei infizieren und die Infektion eine kurze Weile weiter geben können, während Hunde für das Virus eine Sackgasse darstellen. Ob sich jetzt die Katze infiziert? Bislang gibt es dafür keine Anzeichen. Aber vielleicht gibt es die eben auch einfach nicht. Und mit unseren Tests kann ich sie schlecht testen, schließlich kann ich ihr nicht das für Menschen konzipierte Nasenstäbchen und die Winzlöcher ihres Katzennäschens rammen….
  • Donnerstag, 07.07., ca. 08:30 Uhr, tägliche Testreihe fortgesetzt, Ergebnis weiterhin: positiv! Auch die Temperaturmessung hält nichts Neues bereit. Es bleibt bei erkältungsartigen Symptomen, auch wenn sie sich von Tag zu Tag etwas anders darstellen. Heute beispielsweise spüre ich beim Schnäuzen Druck auf meinen Nasennebenhöhlen.
  • Mittwoch, 06.07., ca. 14:00 Uhr, heute schon mehrfach Temperatur gemessen, pendelt unverändert zwischen 36,8°C und 37,2°C. Bislang also in Summe ein erkältungsartiger, vergleichsweise milder Verlauf. Gebe aber zu, meine Leistungsfähigkeit reicht gerade so für diesen Text. Auch das entspricht einer typischen, intensiven Erkältung.
  • Mittwoch, 06.07., ca. 12:30 Uhr, Ohrschmerz rechts ist erst einmal weg bzw. geht im Rest der Befindlichkeiten unter. Habe alle halbe Stunde einen Nies- oder Hustenanfall. Habe schon eine Restmülltüte neben mir liegen, in die ich gleich jedes verschnupfte Tempo – ja, ich verwende nur „echte“ Tempo-Taschentücher, die sind meiner Erfahrung nach am reißfestesten – eintüte. Was weg ist, ist weg, und es kann sich keiner mehr daran anstecken.
  • Mittwoch, 06.07., ca. 10:00 Uhr, setze meine Testserie fort, Ergebnis eindeutig: positiv! Ohrschmerz rechts scheint abzuebben. Auch die Schwellung des Ohrläppchens links scheint nachzulassen.
  • Mittwoch, 06.07., 08:10 Uhr, wache wieder auf, fühle mich etwas gerädert und das rechte Ohr schmerzt wie bei einer Mittelohrentzündung. Offensichtlich lag ich beim Schlafen und Aufwachen darauf. Ob das wieder weggeht?
  • Mittwoch, 06.07., ca. 03:00 Uhr, bin wohl eingeschlafen, snooze….
  • Mittwoch, 06.07., ca. 02:00 Uhr, verbringe die Nacht auf dem Sofa, um meinen Mann nicht anzustecken, denn jetzt kann ich keine Maske mehr aufsetzen, einerseits, weil sich Niesen und Husten zu häufig abwechseln und ich mit dem Maske Auf- und Absetzen nicht hinterher komme, andererseits, weil ich mit Nasenbluten kämpfe und die Maske insgesamt meine Atmung nun beeinträchtigt. Offensichtlich ist meine Nase so viel Niesen nicht mehr gewöhnt. Das Husten und Niesen ist auch physisch anstrengend und hält mich wach, sprich vom Schlafen ab. Auch habe ich mich entschlossen, wegen des physisch anstrengenden Hustens von nun an Damenslipeinlagen zu verwenden, sischer is sischer…. Und warum ist jetzt mein linkes Ohrläppchen angeschwollen? Ist das Covid oder hat da ein Insekt rein gestochen? Nicht auch das noch….
  • Dienstag, 05.07., ca. 22:00 Uhr, tagsüber mehrfach Temperatur gemessen, pendelt unverändert zwischen 36,8°C und 37,2°C. Schnupfen fährt nun auch hoch.
  • Dienstag, 05.07., ca. 12:00 Uhr, Husten ist nun da, bleibt aber noch moderat, hatte ich schon mal schlimmer. Mit Eltern telefoniert: Dort noch alle Tests negativ.
  • Dienstag, 05.07., ca. 10:00 Uhr, mache noch einen Test, Ergebnis eindeutig: positiv! Beschließe, eine Testreihe zu machen, jeden Tag einen Test….11
  • Dienstag, 05.07., ca. 08:00 Uhr, Katze bespringt mich und will mit mir schmusen. Ihr scheint mein Zustand nicht bedrohlich. Dachte, Tiere hätten vielleicht einen Selbstschutz-Instinkt. Geht unserer Katze aber ab. Können sich Katzen überhaupt von Menschen Covid holen? Und wenn ja, können Sie es weiter tragen? Auch an Menschen? Dann ist mein Mann jetzt schon in der Falle, denn nachdem ihr meine Streicheleinheiten reichen, tapert sie rüber zu ihm.
  • Montag, 04.07., ca. 22:00 Uhr, habe jetzt mehrfach Temperatur gemessen, pendelt zwischen 36,8°C und 37,2°C.
  • Montag, 04.07., ca. 18:00 Uhr, mein Mann kauft uns Hustenbonbons.
  • Montag, 04.07., ca. 17:00 Uhr, beschließe, meine Fiebermesspistole zu suchen, da kurzfristig leichtest Frösteln. Temperatur aber noch völlig unkritisch bei 36,2°C.
  • Montag, 04.07., ca. 14:30 Uhr, beschließe, mich mit der Corona-Warn-App zu beschäftigen und stelle fest: Ich bin und bleibe eine Dunkelziffer, denn ich habe mich selbst mit meinen eigenen Sars-Cov-2-Antigen-Schnelltests (20er-Pack seit Februar im Hause) getestet, und ich bräuchte einen offiziellen Test von woanders, um den in die Warn-App einzutragen und andere warnen zu können. Jetzt aber aus der Selbstisolation noch mal raus zu gehen, mich testen zu lassen, und dabei andere zu gefährden, erscheint mir paradox. Also lasse ich es. Vorerst.
  • Montag, 04.07., 12:30 Uhr, mein Mann macht auch einen Test, Ergebnis eindeutig: negativ! Ohje, jetzt heißt es, Abstand halten. Und vielleicht Maske tragen? Und ich brauche unbedingt Hustenbonbons, ich kenne mich, ich schrecke sonst mit einem Hustenanfall nachts auf….
  • Montag, 04.07., 08:48 Uhr, auch das Ergebnis des zweiten Tests ist eindeutig: positiv! Ich hoffe auch milden Verlauf, bin 3x geimpft. Informiere telefonisch die Eltern.
  • Montag, 04.07., 08:33 Uhr, zweiten Test gestartet.
  • Montag, 04.07., 08:30 Uhr, unsere Perle wird von meinem Mann vor dem Haus abgefangen – Abstand halten, Lage erläutern, bitten, wieder nach Hause zu fahren. Ich greife derweil zum Telefon und informiere meine Eltern, bei denen wir am Wochenende noch waren.
  • Montag, 04.07., 08:29 Uhr, Ergebnis steht fest, eindeutig: positiv! Kann es kaum glauben, fühlt sich „nur“ wie eine Erkältung an!
  • Montag, 04.07., 08:14 Uhr, Sars-Cov-2-Antigen-Schnelltest gestartet, braucht 15 min, bis das Ergebnis definitiv ist.
  • Montag, 04.07., 08:00 Uhr, immer noch Halsschmerzen und nun auch leichte Kopfschmerzen. Unsere Perle wird bis 08:30 Uhr hier sein – vielleicht doch besser und fairerweise einen Sars-Cov-2-Antigen-Schnelltest machen?
  • Sonntag, 03.07., immer noch Halsschmerzen. Wir sind noch bei den Eltern, packen aber für die Heimfahrt.
  • Samstag, 02.07., leichte Halsschmerzen. Wir sind noch bei den Eltern. Mal auf Abstand bleiben.

Flucht

Wie unfassbar ist das?

Schon um die 450.000 Flüchtlinge aus der Ukraine soll unser Nachbarland Polen aufgenommen haben, Stand heute. Und damit viel mehr als jedes andere Land momentan. Im Jahr 2015 kamen wieviele aus Syrien? Davon ca. 1,5 Millionen allein nach Deutschland! Ich denke, es ist noch allen gegenwärtig, welche massiven Schwierigkeiten es gab, die Flüchtlingen von damals in Europa zu verteilen. Schon damals war ich der Ansicht, wenn nicht wir in Deutschland und Europa, wer dann?, verkraftet diese Zahl nahezu ohne es zu merken, was im Großen und Ganzen auch so eintrat. Und die Verweigerer dieser humanitären Aktivitäten wurden, ja, ausgerechnet, von Polen angeführt.

Woher jetzt dieser Altruismus? Sollte es etwa christliche Nächstenliebe sein, von der man angenommen hätte, dass sie in einem nahezu durchweg katholischen Polen oberste Maxime sein würde? Wohl kaum.

Es wird noch kritisch zu beobachten sein, was dort an der ukrainisch-polnischen Grenze passiert. Schon jetzt gibt es Berichte, dass Flüchtlinge aus der Ukraine ohne ukrainischen Pass, und insbesondere hinsichtlich der optischen Rezeption (z.B. Hautfarbe) als nicht-ukrainisch identifizierbare Flüchtlinge, nicht durchgelassen werden, nicht in die EU eingelassen werden. Es ist die Rede von zwei „Schlangen“, die eine kurz und ohne Vorankommen, die andere lang, die aber zügig durchgewinkt wird.

Ganz unverhohlen darf man Polen auch weiterhin christliche Grundsätze absprechen, und zwar weniger, weil wahr sein könnte, was man so sagt, sondern weil die Weigerung zur Flüchtlingsaufnahme vor 7 Jahren Bestand hat. Nicht allen Polen, klar, aber jener Mehrheit, die diese offensichtliche Unchristlichkeit, die Bigotterie, den Rassismus und die Unmenschlichkeit von Staats wegen stützt, indem sie die amtierende Regierung wählt oder gewählt hat. Einen Papst gehabt zu haben, und seine Heiligsprechung voran getrieben zu haben, macht halt leider doch niemanden zu einem echten Christen.

Glück gehabt, Ukrainerinnen und Ukrainer!

Wo sind eigentlich jene Flüchtlinge abgeblieben, die bis vor Kurzem noch zwischen Belarus und Polen festhingen und auch nicht durchgelassen wurden? Vielleicht hatten sie ja Glück und es gelang ihnen, doch unbemerkt im aktuell großen Flüchtlingsstrom mitzuschwimmen.

Wie hieß es hierzulande gleich? 2015 darf sich nicht wiederholen! Einen dümmeren Schmarrn habe ich selten gehört. Jahre wiederholen sich nicht, auch nicht Ereignisse – und auch wenn ich selbst immer wieder versucht bin, mich dieser Floskel zu bedienen, am Ende gleichen sich nur Ereignisse. Das, was sich in Sachen Flüchtlingsaufnahme in Zukunft nicht gleichen, nicht wiederholen darf, ist Unmenschlichkeit. Und dazu gehört vielleicht auch ein bisschen, dass man die organisatorischen Strukturen erhält, die nötig sind, um Flüchtlinge aufzunehmen, zu registrieren und zu managen. Nicht nur in Deutschland. Europaweit.

In diesem Zusammenhang sei gemahnt: Im Mittelmeer ersaufen immer noch Leute.

Sprachlos

Der letzte Militäreinsatz, der mir die Sprache geraubt hat, und zu dem ich mich trotzdem geäußert habe, liegt gerade mal ein halbes Jahr zurück: 26.08.2021, Abzug aus Afghanistan, jetzt 24.02.2022, Angriff auf die Ukraine. Oder sollte ich besser sagen: Überfall auf die Ukraine?

Wer in Deutschland kennt ihn nicht, den Satz, womit einst durch Deutschlands Ur-Diktator der Überfall auf Polen am 01.09.1939 begründet wurde? Die Uhrzeit, die dieser Satz enthält, gleicht so fatal derjenigen des ersten Einschlags am 24.02.2022 in der Ukraine, dass es einem wie Sodbrennen aufstoßen muss: Da versucht einer die Geschichte zu wiederholen! Da hat sich einer ein Vorbild angeeignet, von dem ich glaubte, es sei allgemeiner Konsens, dass dies ausschließlich als Antivorbild taugt. Da operiert einer am Rande des völligen Wahnsinns, der ultimativen Großmannssucht, unkalkulierbar: der perfekte 007-Antagonist, durchgeknallt, empathielos, perfide, zerstörungswütig.

Geschichte wiederholt sich doch – so ähnlich

Am 26.08.2021 dachte ich, die Geschichte hat sich wiederholt: Hubschrauber, die Verzweifelte von Dächern retten, denen martialische Krieger auf den Fersen sind, hatten wir visuell in ähnlicher Choreographie Ende April 1975 gesehen, es folgten finstere Zeiten in Vietnam, und noch finstere in Kambodia, ein Land, das nominell am Vietnamkrieg, der in Vietnam übrigens „Amerikanischer Krieg“ genannt wird, nicht beteiligt war. Die finsteren Zeiten, vor allem für die Frauen, dauern in Afghanistan weiter an, ja verfinstern sich weiter.

Am 24.02.2022 dachte ich, die Geschichte hat sich wiederholt: Überfall auf die Ukraine zwar, aber Uhrzeit und Konstellation suggerieren eine absichtsvolle Symbolik, auf dass auch alle Welt sicher weiß, von welchem Anspruch die Operation getrieben ist. Genauso absurd begründet, hanebüchen, durchgeknallt.

Vor der Haustür

Und diesmal ist es so nah: Ein sich selbst überschätzender Diktator, der in seinem näheren Umfeld niemanden mehr hat, der ihm Einhalt gebietet und die Sinnlosigkeit seines Tuns zu artikulieren wagt, der sich seine eigene Wirklichkeit, ja Blase, strickt und seine nächsten Schritte daran ausrichtet, mag diese Wirklichkeit auch noch so weit von der Realität entfernt sein. Ein solcher Diktator verfügt über Atomwaffen und droht unverhohlen damit, bedroht diesen Kontinent Europa. In besonderem Maße verlässt er sich dabei auf das – im Nachhinein betrachtet besonders naive – Deutschland: Die Europäer werden sich schon nicht zum Gegenschlag aufschwingen, das wird mit Deutschland nicht zu machen sein, und wenn doch, so sind sie doch militärisch betrachtet ein Leichtgewicht. Leider scheint er auch recht zu haben.

Nach dem fünften Angriffstag scheint es zumindest so, dass die Ukrainer und Ukrainerinnen sich gegen den geplanten Blitzkrieg stellen, und das sogar mit einem gewissen Erfolg. Gewinnen können werden sie wohl nur mit einem langen Atem und viel einfallsreicher Guerillataktik. Je länger sie durchhalten, aufhalten, anhalten, erhalten, desto größer wird die Chance, den verteidigten Boden behalten zu können, auch wenn alles, was darauf steht, ein durchgeknallter Aggressor – wiedereinmal, und diesmal ist es sogar ein „Bruder“ – in Schutt und Asche legt.